Electrostatic Discharge

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Entstehung

Elektrostatische Entladungen (ESD) treten in vielen Alltagssituationen auf. Es handelt sich um Entladungsvorgängen von Potenzialdifferenzen in Folge von elektrostatischer Aufladung. Diese Aufladung entsteht zum einen durch Triboelektrizität (Aufladung durch Reibung) oder durch Influenz, also der Aufladung eines Körpers durch Exposition in einem elektrischen Feld. Die erreichbaren Potenziale können dabei Werte im Bereich von bis zu 15kV betragen.

Handlung oder Ladungsquelle elektrostatische Aufladung U in kV
Person geht über PVC - Fußbodenbelag 0,5 – 9
Person geht über synthetischen Teppich 10 – 15
PE-Tasche gerieben und auf Kunststoffarbeitsfläche gelegt 0,3 – 7
Bestückte Leiterplatte in Kunststofftragetasche gelegt 0,1 – 0,8
Person hebt PVC-Tasche von einer Werkbank 0,1 – 3

Elektrostatische Spannnungen bei unterschiedlichen Handlungen vgl. Berndt (2009): ESD-Schutz S. 85

Die Endladungsvorgänge können durch direktes Berühren als Kontaktentladung oder durch die Luft als Blitz oder Koronaentladung auftreten. Die Form der Entladung, der zeitliche Verlauf sowie die Stromstärke hängt hauptsächlich von den Faktoren Temperatur, Luftfeuchtigkeit, el. Kapazität der Körper, und Übergangswiderstand ab. Es werden in der DIN EN 61340-3 3 Modelle zur Darstellung der Vorgänge definiert, das HUMAN BODY MODEL (HBM), das CARGED DEVICE MODEL (CDM) und das MACHINE MODEL (MM). Diese Modelle dienen zur Auslegung von Referenzmessungen und Testaufbauten. Da für den Umgang mit IT-forensischen Asservaten der menschliche Körper die Endladungsquelle darstellt wird für die Betrachtungen das HBM angewendet.

Wirkung auf elektronische Bauelemente

ESD sind in der Lage elektronische Bauelement zu beschädigen oder zu zerstören. Geräte, z.B. Computer, Smartphones, Laptops und externe Festplatten, werden durch ESD-Schutzbeschaltungen an den Kontakten und Gehäuseerdungen geschützt. Bei der Handhabung von Einzelkomponenten kann dieser Schutz nicht mehr vorausgesetzt werden. So kann z.B. beim Ausbau einer Festplatte die Platine direkt zugänglich. Ein Schaden durch eine Entladung an einer beliebigen Stelle, speziell nachdem der Stecker der Spannungsversorgung abgezogen wurde, ist wahrscheinlich.

Praktisch jedes elektronische Bauelement kann durch ein ESD beschädigt werden. Exemplarisch wird dies an einem Transistor in CMOS-Technologie, die am häufigsten eingesetzte Technologie für Logikbausteine, erläutert. Durch den Entladungsvorgang liegt am Gate des Transistors eine hohe Spannung an. Überschreitet diese die Gate-Durchbruchsspannung wird die Metalloxid - Isolationsschicht durchgebrannt, sodass ein leitfähiger Kanal entsteht und dieser einen Kurschluss im Gate hervorruft. Dieser Fehlermodus wird als Dielektrischer Durchbruch bezeichnete und zerstört den Transistor. Ein weiterer möglicher Fehlermodus ist das An- oder Aufschmelzen der Metallisierung oder der Bonddrähte im Chip.

Bei Entladungen an einem Steckerkontakt einer Festplatte mit einer Spannung < 1 kV, also unterhalb der menschlichen Wahrnehmung, ist es wahrscheinlich, dass die Spannung während der Ableitvorgänge die an einen am Kontakt angeschlossenen Eingangstransistor anliegt, diesen beschädigt oder zerstört.

Schutzmassnahmen für den Umgang mit IT-forensischen Asservaten

Um die beschriebenen Schäden zu vermeiden, sollten die in der DIN EN 61340-5-1 beschriebenen Vorgehensweisen eingehalten werden. Diese umfassen bei der Arbeit mit Bauelementen, die gegen ESD empfindlich sind (ESDS), die Einrichtung von ESD-Arbeitsplätzen oder ESD-Zonen. Ferner die Schulung der Mitarbeiter und den Aufbau eines ESD-Kontrollprogramms, sowie die Nutzung geeigneter Verpackungsmaterialien.

Am Tatort

Die Einrichtung eines ESD-Arbeitsbereichs ist an einem „Tatort“ praktisch nicht möglich. Ein Forensiker sollte daher bei der Sicherstellung der Beweisstücke darauf achten möglichst komplette Geräte sicherzustellen. Grundsätzlich müssen bei der Arbeit an digitalen Beweisstücken (Hardware) ein ESD-Armband und ESD-Schuhe getragen werden. Es sollte Bekleidung mit einem Oberflächen-widerstand < 109 Ω getragen werden z.B. als Overall.

Bei ESD-Armbändern ist ein Erdungswiderstand zw. 1 MΩ und 35MΩ einzuhalten um die Elektrostatische Aufladung abzuleiten aber auch Fehlerströme ausreichend zu begrenzen.